Ein Stück von Eric-Emmanuel Schmitt
Aus dem Französischen von Annette und Paul Bäcker

Inszenierung: Ute Richter
Premiere: 3. Juni 2021

Es spielen:


Rainer Scharenberg

Rüdiger Hellmann

In diesem ungewöhnlichen und in seiner Geschichte immer wieder überraschenden Zweipersonenstück beschreibt Schmitt höchstsensibel die Problematik zwischenmenschlicher Beziehungen im Allgemeinen und der Liebe im Besonderen.

Der Literatur-Nobelpreisträger Abel Znorko, ein zynischer und egozentrischer Misanthrop, hat sich seit 15 Jahren auf eine norwegische Insel zurückgezogen. Er hat ein neues – von der Kritik begeistert aufgenommenes – Buch veröffentlicht, einen für sein bisheriges Schaffen ungewöhnlichen Liebesroman in Briefwechseln.

Überraschend gewährt er, der sonst keine Besucher empfängt, Erik Larsen, einem Journalisten einer kleinen Provinzzeitung, ein Exklusiv-Interview.

Es beginnt ein beharrliches Duell zwischen scheinbar ungleichen Kontrahenten, mit erstaunlichen Wendungen und wechselnden Vorteilen, Enthüllungen und unerwarteten Offenbarungen, spannend wie ein Krimi, doch tiefsinniger und sensibler.

Mit „Enigma“, das den Titel des Symphonischen Werkes des Komponisten Edward Elgar trägt, ist Eric-Emmanuel Schmitt ein hochdramatisches Werk und intelligentes Schauspiel gelungen.

*

„Zwei Männer auf der Bühne, doch die Hauptperson tritt nicht auf – jene Frau, die beider Liebe war und die beide geliebt hat. Oder war es ganz anders? Die Wahrheit bleibt ein Rätsel. Sie wissen nicht, wer Sie sind und warum? Oder doch? Das glauben Sie aber nur!

Schauen Sie sich „Enigma“ an. Sie wissen zwar nachher auch nicht mehr über sich als zuvor – aber Sie fangen, noch zwischen Lachen und Beklemmung, sicher an, darüber nachzudenken.“

(Christina Osterwald 20.12.1999)


 

Pressestimmen

Chapeau, Madame Zimmertheater

Ute Richter verabschiedet sich mit Eric-Emmanuel Schmitts pointiertem Zweipersonenstück „Enigma“ von ihrem Publikum

Von Volker Oesterreich

Möchte man diesem Kotzbrocken von Literatur-Nobelpreisträger wirklich begegnen? Er grantelt heftiger als Thomas Bernhard oder Peter Handke, die ihren Kulturdünkel schon vor Jahren zum Markenzeichen erhoben hatten. Gallig und mit einer schönen Portion Selbstironie. Zu dieser Spezies der selbstgefälligen Misanthropen gehört auch der auf einem Eiland lebende Bestseller-Autor Abel Znorko in Eric-Emmanuel Schmitts 1996 uraufgeführtem Bühnenhit „Enigma“.

Die zu Monatsbeginn aus dem Amt geschiedene Heidelberger Zimmertheater-Prinzipalin Ute Richter hat sich dieses wirkungsmächtige Wortgefecht mit all seinen tiefgründigen Gedanken über die Literatur, die Liebe, die Lüge und das wahre Leben für ihre letzte, ursprünglich schon im Januar geplante Inszenierung ausgewählt. Klar und dezidiert, wie es ihre Art ist, sagt sie mit den Schlussworten des Stücks Ade zu ihrem Publikum, das pandemiebedingt nur in kleiner Zahl zur Premiere kommen konnte. Lediglich 37 wurden ins 93-Plätze-Theaterchen eingelassen, bald werden’s glücklicherweise mehr sein.

Endlich also wieder Theater nach monatelanger Schließung, das stimmt zuversichtlich. Der Abend hebt – wie an dieser Adresse seit Jahrzehnten üblich – die innere Gemütslage. Aber dennoch mischt sich dem Anlass gemäß eine große Portion Melancholie in den dialogstarken Seelencocktail, der mit vielen plötzlichen Wenden dramaturgisch höchst geschickt gespickt ist.

Seit ihrem Debüt mit Peter Shaffers „Equus“ im Jahr 1976 hat Ute Richter fast nur Erfolge produziert. Nie hat sie ein Stück zwei Mal auf die Bühne gebracht – mit einer einzigen Ausnahme: „Enigma“ sorgte schon Ende der 1990er Jahre für hohe Zuschauerzahlen an der Heidelberger Hauptstraße 118. Nun, bei ihrer 119. Regiearbeit, wagt Ute Richter eine Reprise mit einem gänzlich anderen Konzept – und das ist, frei nach Klaus Wowereit, auch gut so. Stück, Stoff und das Spiel der versierten Darsteller Rüdiger Hellmann in der Partie des grantelnden Nobelpreisträgers und Rainer Scharenberg als angeblicher Journalist Erik Larsen passen ausgezeichnet zusammen. Chapeau, Madame Zimmertheater!

Die Machtverhältnisse sind zu Beginn klar verteilt: hier der schier allmächtig erscheinende, aber voll bösartiger Zynismen steckende Nobelpreisträger Znorko, da der servile Fragensteller Larsen, der von seinem Gegenüber wissen möchte, wie real oder wie fiktional konstruiert sein zuletzt erschienener Liebesbrief-Roman in Wirklichkeit ist. Dichtung oder Wahrheit, das ist hier die Frage.

Von Antwort zu Antwort kommt man näher auf die Spur einer Frau, die für beide Männer eine große Rolle gespielt hat. Eine Wundertüte voller Emotionen und ein Sack voller gegenseitiger Beziehungen tun sich auf. Und wer weiß, vielleicht hat der Erfolgsschriftsteller Znorko sich seinen letzten Triumph sogar mit den gezinkten Karten eines Plagiats erpokert.

Dieses Geheimnis wird im Verlauf des Abends auf völlig überraschende Weise geklärt. Apropos Geheimnis: Der Titel des Stücks spielt auf Edward Elgars Enigma-Variationen an, eine Kette musikalischer Geheimnisse über Freunde des englischen Komponisten.

In ihrem geschmackvoll-schlichten Bühnenbild tut Ute Richter als Inszenatorin das, was sie am besten kann: Sie vertraut auf die Kraft der sorgsam zugespitzten Vorlage und auf ihre mit viel Menschenkenntnis angeleiteten Darsteller. Der Schlussapplaus klang, als hätten nicht nur 2 x 37 Hände, sondern 2 x 93 im voll besetzten Haus dankbar und kraftvoll geklatscht. Und noch einmal: Chapeau, Madame Zimmertheater!!

Rhein Neckar Zeitung Samstag 5.Juni 2021


 

Schauspiel: Ute Richter verabschiedet sich am Zimmertheater Heidelberg mit ihrer „Enigma“-Neuinszenierung, einem mitreißenden Zwei-Personen-Stück

Tiefgründiges Verwirrspiel um das männliche Ego 

Von Eckhard Britsch 

Naturgemäß lag Wehmut über der Premiere im Zimmertheater Heidelberg, als Ute Richter, längst eine mit Auszeichnungen und Ehrungen bedachte Institution im hiesigen Kulturleben, sich mit „Enigma“ von Eric-Emmanuel Schmitt als Intendantin und Regisseurin verabschiedete. Noch einmal packte sie ihr glänzendes Handwerkszeug aus, das mit so vielen, meist unzureichenden Metaphern umschrieben wurde. 

Ist es ihre „kalligraphische Handschrift“, mit der sie die Texte seziert und mit außergewöhnlicher Dinglichkeit zum Bühnenleben erweckt? Oder überwiegt ihre zielgenaue Personenführung, mit der sie subtile Zwischentöne einbringt, die ein Panorama an Gefühlen und menschlichen Abgründen hervorzaubern? Oder offenbart die studierte Psychologin eine überlegene Menschenkenntnis, die ihre Inszenierungen mit so viel hintergründigem Humor durchsetzt? 

Verbaler Ringkampf um eine Frau 

„Enigma“ hat sie 1999 schon einmal inszeniert, jetzt wurde es ihre 119. Regiearbeit am von ihr bestens geführten Haus. Das Zwei-Personen-Stück gibt bei Ute Richter alles her, was zwei Männer in ihrem nachträglichen Ringkampf um eine Frau sich antun können. Sie umkreisen sich, treiben ein mal elegantes, mal bösartiges Vexierspiel. Der Literaturnobelpreisträger Abel Znorko (Rüdiger Hellmann), hochmütig und selbstgefällig, gibt dem scheinbar braven Provinzjournalisten Erik Larsen (Rainer Scharenberg) ein Interview. Gegenstand: der hoch gelobte Briefroman des Autors. Die weibliche Hauptfigur ist/war die Liebe beider. Mal mit Florett, mal mit dem Degen bekriegen sie sich verbal, und die Rollen kehren sich um. Der Autor schrumpft, der Journalist wächst. Gemeinsam ist ihnen der Schmerz über die verlorene Liebe. 

Doch Ute Richter bindet den beiden Protagonisten keinen Trauerflor um, vielmehr entwickelt sie ein Schauspiel voll feinfühliger Ironie und einer raffinierten Entschlüsselung eines Genoms namens männliches Ego. Die diskret eingerichtete Bühne, von zwei zarten Tulpengemälden gegliedert, lässt den Schauspielern Raum. Den nutzen sie sensibel, wobei die Überraschungsmomente der Handlung zur Freude des Premierenpublikums geschickt ausgekostet werden. Ein Pingpong- Spiel der Worte, Argumente, Gefühle und unterschwelliger Aggressionen. Mit passgenauem Zuschnitt und präziser Zuspitzung, sowie feiner Einspielung von Elgars „Enigma“- Variationen. 

Corona-bedingt fiel eine Premierenfeier aus. Dennoch: Einige Dankesworte beim letzten Bühnenapplaus seitens des Trägervereins und ein paar Blümchen wären ohne Zweifel angebracht gewesen. So aber bleibt nur die Orpheus-Klage „Ach, wir haben sie verloren“. 

Mannheimer Morgen Samstag 5.Juni 2021


Enigma