Komödie von Sébastien Thiéry
Premiere: Do 03. August 2017
Inszenierung: Wolfgang Mettenberger
Es spielen: Nadine Ehrenreich, Antje Geerk, Michael Rotmann, Dirk Weidner
Bruno und Laurence führen ein durchaus zufriedenes und erfülltes – wenn man so will – ganz normales Leben, sie als Direktorin einer Grundschule, er als Anästhesist in einem Pariser Krankenhaus. –
Aber diese scheinbar heile Welt gerät plötzlich ins Wanken, als sich „aus heiterem Himmel“ ein unerwarteter Geldsegen auftut und das Paar zusehends auf eine harte Probe stellt. Wo kommt das Geld her? Wem gehört es? Wer steckt dahinter? Was tun damit? Wohin mit dem sich plötzlich auftuenden Reichtum?
Wieder geht es dem sehr erfolgreichen französischen Schauspieler und Dramatiker Sébastien Thiéry (* 1970) nicht nur um eine äußerst witzige, turbulente und spannende Komödie; hinter dem vordergründigen „was“ und „wie“ tut sich mehr und mehr auch die Frage nach dem „warum“ auf. Die Frage „Was passiert eigentlich, wenn…“ oder das auch im Theater des Absurden immer wieder thematisierte „Gesetzt den Fall dass“ lässt die Protagonisten und das Publikum oft im Ungewissen und führen in dem temporeichen Geschehen, in dem sich auch hier die Ereignisse überschlagen, zu den tiefer liegenden Fragen unseres Seins.
„Comme s’il en pleuvait“ wurde 2012 mit Pierre Arditi und Evelyne Buyle am Théatre Edward VII in Paris uraufgeführt.
Bilder
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Pressestimmen
Reichtum ist auch keine Lösung
Wolfgang Mettenberger inszeniert Sébastien Thiérys Komödie „Als ob es regnen würde“ am Zimmertheater Heidelberg
Von Ingeborg Salomon
Bruno ist fix und fertig. „Ich bin leer wie ein ausgenommenes Hühnchen“, schleudert der Anästhesist seiner Frau Lau- rence entgegen. Kein Dank nirgends, und der Lack an der Ehe des Paares ist nach 20 Jahren auch schon deutlich abgeblättert. Ganz normal eben alles, bis zu dem Tag, als den beiden ein unerwarteter Geldsegen ins Haus flattert. In Sébastien Thiérys Stück „Als ob es regnen würde“, das am Donnerstag Abend im Zimmertheater Premiere feierte, wirft der plötzliche Reichtum viele Fragen auf – und setzt bei den Figuren verstörende Entwicklungen in Gang.
Zimmertheater Intendantin Ute Richter hat mit Wolfgang Mettenberger einem Profi die Regie überlassen, und der wusste das zu nutzen. Die Heidelberger kennen Mettenbergers Handschrift als Regisseur von vielen Aufführungen am Hölderlin-Gymnasium, wo der Theaterpädagoge bis Februar 2017 die Lehrertheater-Gruppe zu sehr beachtlichen (Amateur-)Leistungen anleitete. Man durfte also gespannt sein, wie eine Inszenierung mit Profis aussehen würde.
Michael Rothmann als Bruno und Nadine Ehrenreich als Laurence sind ein Paar, das zunächst ganz gut aufeinander eingetaktet scheint. Doch als wie aus dem Nichts immer mehr Geldscheine in ihrer Wohnung auftauchen, wächst das Misstrauen. Bruno verdächtigt seine Frau, sie habe sich für einen kleinen Seitensprung bezahlen lassen. Lorence ihrerseits ist entsetzt, als Bruno stattliche 38 230 Euro beim Shoppen verprasst. Das pinkfarbene Cerutti-Kleid, „den Nuttenfummel“, zieht sie zwar trotzdem an, beharrt aber darauf, dass ihr Gatte als verdienter Gewerkschafter keinen Dior-Anzug tragen könne.
Mit sichtlicher Spielfreude und großem Körpereinsatz arbeiten sich Michael Rothmann und Nadine Ehrenreich aneinander ab, um schließlich gemeinsam die Putzfrau Teresa ins Visier zunehmen. Könnte ja sein, dass die spanische Perle die Kohle irgendwo geklaut hat und sie nun zurückgibt. Mit Antje Geerk als Teresa steht ein Zimmertheater-Urgestein auf der Bühne; 20 Jahre hat die Schauspielerin hier in zahlreichen Inszenierungen mitgespielt. Als radebrechende Spanierin („Ssehr wiktig für mih, linke Werte, von Tteilen und von Großssügigkeit“) führt sie gekonnt die verlogene Ideologie ihrer Arbeitgeber vor. Die Ideale der Französischen Revolution sind nur noch bröckelnde Fassade auf einer eindrucksvollen Wandmalerei von Gerlinde Britsch.
Vierter im Bunde ist der Zimmertheater-Besuchern ebenfalls gut bekannte Dirk Weidner, der 2015/16 in „Die Wunderübung“ den Valentin spielte. Jetzt verkörpert er den ziemlich durchgeknallten neuen Nachbarn, der zuerst mit einer Pistole, später mit einem Beil bewaffnet beklagt, er sei bestohlen worden. Ganz offensichtlich hat er Bruno und Florence in Verdacht. Der Geldregen wird im Lauf der über zweistündigen Aufführung (mit Pause) immer mehr zur Bedrohung, und die Ereignisse überschlagen sich.
Besonders im zweiten Teil, dem einige Kürzungen gutgetan hätten, arbeitet die Inszenierung mit Stilmitteln der Groteske und des Absurden Theaters. Dass der überraschende Schluss viele Fragen offenlässt, versteht sich. Geld ist zwar als Small Talk-Thema tabu, doch das Stück bietet viel Gesprächsstoff, den das Publikum schon in der Pause gerne aufgriff. Zum Schluss belohnte herzlicher und verdienter Beifall Schauspieler und Regisseur.
RNZ 5./6. August 2017
Die heile Welt gerät ins Wanken
Wolfgang Mettenberger inszeniert Sébastien Thiérys Komödie „Als ob es regnen würde“ am Zimmertheater Heidelberg
Von Eckhard Britsch
Ihr Herz schlägt links, doch schätzen Laurence und Bruno bürgerliche Behaglichkeit. Denn dort ist das Paar nach 20 Jahren Ehe – sie ist Direktorin an einer Schule und er arbeitet als Anästhesist – angekommen und hat es sich zwischen Hosenanzug und Embonpoint recht brav eingerichtet in der Eigentumswohnung. Zwar plaudern sie unter der die Bühne beherrschenden Bild-Variation „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix, doch Revolution war einmal, jetzt mag allenfalls die Fahne schwenkende Marianne für einen Rest aufmüpfigen Denkens sorgen.
Aber hinter der Fassade scheint es zu brodeln. Und es bedarf wohl nur eines Anstoßes, um die Widersprüche in einer Beziehung und innerhalb der Gesellschaft bloß zu legen.
Mitreißende Komödie
Schon optisch macht also die Inszenierung von „Als ob es regnen würde“ des französischen Autors Sébastien Thiéry am Heidelberger Zimmertheater etwas her. Und Gastregisseur Wolfgang Mettenberger gewinnt mit seinen Akteuren dem vor fünf Jahren entstandenen, komödiantischen Stück, das ins Absurde changiert, viel an situativer Belebung und innerer Substanz ab.
Mettenberger, als Autor mit „Tatort Theater“ hervorgetreten und 24 Jahre lang Leiter der Heidelberger Theater- und Spieleberatung sowie Mitgründer und Regisseur der ehemaligen Gymnasiums-Theatergruppe „Die Irren vom Hölderlin“, bringt eine individuelle Handschrift ins turbulente Spiel, das im Surrealen zwischen Wahn und Wirklichkeit, Verwirrung und Knalleffekt endet.
Denn in der Inszenierung wird der Einbruch des Unerwarteten thematisiert, das Sébastien Thiéry mit lockerer und doch äußerst konsis- tenter Handschrift in die Arena wirft. Während Bruno, fahrig dahin tigernd, kurz in „Charlie Hebdo“ blättert, taucht ein 100 Euro-Schein auf. Gattin Laurence weiß von nichts, das Paar beruhigt sich, gönnt sich was.
Tags darauf liegen mehr als 1000 Euro auf dem Boden herum, die Verdächtigungen nehmen zu. Liebeslohn für ein Verhältnis? Die brave Laurence ist empört, der ratlose Bruno entschuldigt sich, doch die Beziehung wird in ihrer Fragilität endgültig auf die Probe gestellt, wenn erst über 30 000 Euro aus dem Regal purzeln, Bruno dem Kaufrausch frönt und dann sackweise das Geld die Wohnung verstopft: „Als ob es regnen würde“.
Woher kommt der ganze Zaster, was tun damit? Das Paar gerät aus tastendem Beginn in immer stärkere Turbulenzen, zumal ein neuer Obermieter wie Deus ex machina, mit Pistole und Beil bewaffnet, die Szene aufmischt und suggeriert, er sei bestohlen worden.
Die Inszenierung lebt von ausgezeichneten und intensiv geführten Darstellern. Michael Rothmann decouvriert mit vielen Facetten die Fassade des Anästhesisten Bruno: Er fühlt sich vom Leben betrogen, bekommt zu wenig Anerkennung im Beruf, hatte immer von einer Yacht geträumt, plötzlich törnt ihn das Geld gewaltig an, am Ende wird es ihn gewissermaßen verschlingen. Er biegt sich das Unerwartete zurecht: „Auch ein Sozialist kann es sich einmal gut gehen lassen“.
Starke Ausstrahlung bringt Nadine Ehrenreich, agil und sensibel zugleich, in ihr punktgenaues Spiel für die Figur der Laurence. Zwar verkörpert sie die moralische Komponente, doch auch sie ist korrumpierbar und fühlt sich plötzlich im Dior-Fummel wohl. Ihre Irritation ist letztlich ausweglos, denn sie steht „mittendrin im Sturm“.
Den hat der unliebsame Gast und Nachbar entfacht: Dirk Weidner zeigt ihn in aufgebracht-beängsti- gender Pose. Wann dreht er durch? Ein feiner Kunstgriff glückt dem Autor mit der Putzfrau Teresa. Antje Geerk überzeichnet diese wegen haltloser Verdächtigungen plärrende Frau kunstvoll. Einst vor dem spanischen Diktator Franco geflohen, hält sie den Salonsozialisten den Spiegel vor.
Das tiefgründige, vitale und witzige Sommermärchen stieß beim Premierenpublikum trotz eines unaufgelösten Absurdistan-Finales auf großes Wohlwollen.
Mannheimer Morgen
9. August 2017