Der gefeierte Schauspieler David Faulkner ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Seit seinem Schlaganfall kann er nicht mehr gehen, kaum noch sprechen. Von dem verzweifelten Versuch seiner Ehefrau, sein altes Selbst wieder zu wecken, erzählt das Stück „Einst ein Tiger“ von Peter Yeldham, das bei seiner Uraufführung am Zimmertheater in Heidelberg mit einem starken Darstellerensemble und einer klug zurückhaltenden Inszenierung überzeugte. Zu Beginn erfährt der Zuschauer, wie Faulkner einst als erfolglose Mime und Frauenheld seine Frau Jennifer eroberte – die lebhafte Hartnäckigkeit seiner Avancen steht in starkem Kontrast zu der Resignation des nun an seinen Rollstuhl gebun denen Mannes. Jennifer, die Liebe seines Lebens, hofft, seinen Zustand durch einen emotionalen Schock schlagartig zu verbessern, und läd seine bisher geheim geglaubte Liebschaft Antonia Drayton ein. Es folgt ein Aufeinandertreffen, bei dem die Wirklichkeiten, an denen die ver schiedenen Charaktere wie verzweifelt festhalten, jäh infrage gestellt werden. Meer aus Wut hinter stiller Fassade Mit gekonnt reduziertem Spiel und minimalistischer Mimik stellt Michael Schernthaner den gebrochenen Faulkner als hochemotionalen Men schen dar. Hinter seiner – bis auf innere Monologe und einzelne Wortfetzen – nahezu stillen Fassade scheint ein ganzes Meer aus Wut, Enttäuschung und Trauer zu wogen. Christina Dom als Jennifer, die mit zunehmender Mühe versucht, ihre Fassung zu bewahren, ist nicht weniger überzeugend. Und Irina Wrona spielt ihre Antonia Drayton, die unvermittelt in die Zweisamkeit platzt, mit erfrischendem Charisma. Dabei gelingt es den Darstellern, auch die vielen humorvollen Momente des an sich dramatischen Stü ckes zum Tragen zu bringen. Die unaufgeregte Inszenierung von Ute Richter, die dem Zwischenmenschlichen viel Raum gewährt, indem sie den kargen Luxus von Faulkners Wohnung fast vollständig zurücktreten lässt, tut ihr Übriges zu einem gelungenen Theatererlebnis. dte
Emotionaler Schock
Jan 29, 2015 | Pressestimmen | 0 Kommentare